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Wirecard: DSW-​Stiftungslösung – eine Einschätzung

Ist es sinnvoll, sich bei der „Stichting Wirecard Investors Claim“-Stiftung der DSW zu registrieren?

Die DSW (Deut­sche Schutz­ver­ei­ni­gung für Wert­pa­pier­be­sitz e.V.) hat ge­mein­sam mit den auf Ka­pi­tal­markt­recht spe­zia­li­sier­ten Kanz­leien Nieding+Barth (Frank­furt am Main) und AKD Be­ne­lux La­wy­ers (Ams­ter­dam) die Stif­tung „Sticht­ing Wire­card In­ves­tors Claim“ mit Sitz in Ams­ter­dam ge­grün­det, die Ent­schä­di­gun­gen für die Wirecard-​Anleger in­ner­halb der EU er­rei­chen soll. Das Ziel da­hin­ter: Ei­nen Ver­gleich nicht nur mit EY Deutsch­land, son­dern auch mit EY Glo­bal, zu erzielen.

In­zwi­schen lie­gen die ent­spre­chen­den Teil­nah­me­ver­träge und Voll­mach­ten vor, die wir im Fol­gen­den ana­ly­sie­ren wollen.

Fol­gende Punkte sind dem­nach als kri­tisch einzustufen:

1. Intransparenz der Vertragsbeziehungen

Die Ver­schrän­kung der An­walts­voll­macht für die Nie­ding + Barth Rechts­an­walts­ak­ti­en­ge­sell­schaft mit dem Teil­nah­me­ver­trag an der Stif­tung wirft er­heb­li­che Un­klar­hei­ten auf. We­sent­li­che Ver­trags­texte sind nur in eng­li­scher Spra­che gül­tig. Da­bei bleibt das Ver­hält­nis zwi­schen der Stif­tung und der zu be­auf­tra­gen­den Rechts­an­walts­ge­sell­schaft un­klar. Ins­be­son­dere ist nicht er­sicht­lich, ob die Rechts­an­walts­ge­sell­schaft durch die Be­voll­mäch­ti­gung durch An­le­ger nur den Wei­sun­gen des je­wei­li­gen Man­dan­ten un­ter­wor­fen ist, oder auch den Wei­sun­gen der Stif­tung. Au­ßer­dem schei­nen die teil­neh­men­den An­le­ger keine Ein­fluss­mög­lich­kei­ten auf die Ge­schäfts­füh­rung der Stif­tung zu ha­ben. Da­durch er­scheint es frag­lich, ob die Man­dan­ten Ein­fluss neh­men kön­nen auf die Pro­zess­füh­rung oder gar auf das Ob und Wie ei­nes mög­li­chen Ver­gleichs­ab­schlus­ses durch die Stif­tung mit EY.

2. Bestehendes Kostenrisiko

Die Stif­tung wirbt da­mit, dass den An­le­gern kei­ner­lei Kos­ten ent­ste­hen wür­den. Die Fi­nan­zie­rungs­lö­sung soll für die An­le­ger ohne jeg­li­ches Kos­ten­ri­siko sein. Dem müs­sen wir nach ein­ge­hen­der Prü­fung al­ler­dings wi­der­spre­chen. So ist in § 2.9. und § 2.10. des Teil­nah­me­ver­trags aus­drück­lich vor­ge­se­hen, dass der An­le­ger die Kos­ten der Stif­tungs­lö­sung zu tra­gen hat, so­fern er den Ver­trag kün­digt oder der An­le­ger ei­nem aus­ge­han­del­ten Ver­gleich nicht zustimmt.

Des Wei­te­ren be­steht nach Ab­schluss des Teil­nah­me­ver­trags eine Kün­di­gungs­mög­lich­keit nur bin­nen 30 Ta­gen – und nur nach ei­ner er­heb­li­chen Straf­zah­lung. Eine an­dere Mög­lich­keit, sich von der Stif­tung zu lö­sen ist nicht ersichtlich.

Ein Bei­spiel: Sollte die Stif­tung ei­nen Ver­gleich mit EY schlie­ßen, der al­ler­dings nur eine mi­ni­male Ent­schä­di­gung von 1 % vor­se­hen würde, müsste der An­le­ger, der dem Ver­gleich nicht zu­stim­men wol­len würde, alle Kos­ten der Stif­tungs­lö­sung selbst tra­gen. Man­gels Kos­ten­trans­pa­renz in den Teil­nah­me­ver­trä­gen könn­ten diese Kos­ten er­heb­lich sein. Deut­lich wird die­ses nicht un­rea­lis­ti­sche Sze­na­rio in § 6.3. des Ver­trags, in dem auf­ge­führt wird, dass „die Stif­tung we­der an ei­nen mi­ni­mal zu er­zie­len­den Ent­schä­di­gungs­be­trag oder zu­rück­zu­ge­win­nen­den Pro­zent­satz der Scha­den­er­satz­an­sprü­che ge­bun­den“ ist.

3. Ausschluss von Verkaufsmöglichkeit

Ge­mäß § 4.5. ver­pflich­ten sich die Teil­neh­mer „jeg­li­che Maß­nah­men zu un­ter­las­sen, die den Wert der Scha­dens­er­satz­an­sprü­che be­ein­träch­ti­gen könn­ten.“ Da­mit ist wohl auch ein Ver­kauf der Ak­tien (z.B. zur steu­er­li­chen Gel­tend­ma­chung) aus­ge­schlos­sen, da da­durch Scha­dens­er­satz­an­spruch um die Höhe des Ver­kaufs­er­lö­ses ge­min­dert wer­den dürfte.

4. Zusicherung der Existenz von Schadensersatzansprüchen

In der Klau­sel in § 10.1. a. si­chert der teil­neh­mende An­le­ger zu, „dass die Scha­dens­er­satz­an­sprü­che exis­tie­ren“ – dies ist al­ler­dings be­kannt­lich strei­tig. Der An­le­ger kann eine sol­che Zu­si­che­rung über­haupt nicht ge­ben. Es be­steht An­nahme zum Ver­dacht, dass auf Grund­lage die­ser Zu­si­che­rung spä­tere Kos­ten­er­satz­an­sprü­che der Stif­tung ge­gen An­le­ger gel­tend ge­macht wer­den könnten.

Wir se­hen darin er­heb­li­che Ri­si­ken für An­le­ger, soll­ten sie der Stif­tung beitreten.

5. Offene Strategiefragen

Wir se­hen wei­ter­hin Schwie­rig­kei­ten im Hin­blick auf die Strategie:

  • Inanspruchnahme von EY Global weiter unklar:

Die Stif­tung wirbt da­mit, not­falls auch ge­gen an­dere EY-​Gesellschaften, ins­be­son­dere wohl ge­gen die Dach­ge­sell­schaft EY Glo­bal ge­richt­lich vor­zu­ge­hen und nicht nur ge­gen EY Deutsch­land. Wir se­hen al­ler­dings nicht, dass in Deutsch­land eine Klage mit Aus­sicht auf Er­folg ge­gen EY Glo­bal ge­führt wer­den könnte. Es bleibt un­klar, auf wel­cher recht­li­chen Grund­lage diese Klage er­fol­gen soll und wel­cher Sach­ver­halt ihr zu­grunde lie­gen würde.

  • Aussichten auf Vergleichsabschluss unklar:

Die Stif­tung will wohl eine oder eine kleine An­zahl (mus­ter­haf­ter) Kla­gen in Deutsch­land beim Land­ge­richt Mün­chen er­he­ben und ei­nen Ver­gleich mit EY er­zie­len, der dann „über die nie­der­län­di­sche Stif­tung für all­ge­mein ver­bind­lich er­klärt“ wer­den soll.

Ein Ver­gleich in ei­nem Kla­ge­ver­fah­ren wird vor deut­schen Ge­rich­ten al­ler­dings nur dann ge­schlos­sen, wenn die Streit­par­teien dies auch wol­len. Wir ge­hen nicht da­von aus, dass EY ei­nen Ver­gleich ab­schlie­ßen will. In al­len an­hän­gi­gen Kla­ge­ver­fah­ren (über 1000 bei ver­schie­de­nen Ge­rich­ten in Deutsch­land) hat EY ei­nen Ver­gleich bis­lang ab­ge­lehnt. Die Stif­tung läuft also Ge­fahr, für ein Sze­na­rio ent­wi­ckelt zu sein, das (mo­men­tan) aus­ge­schlos­sen erscheint.

  • Allgemeinverbindlichkeit eines in Deutschland abgeschlossenen Vergleichs unklar:

Die Stif­tung äu­ßert sich bis­lang nicht dazu, auf wel­cher Rechts­grund­lage und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ein et­waig in Deutsch­land vor deut­schen Ge­rich­ten ab­ge­schlos­se­ner Ver­gleich nach nie­der­län­di­schem Recht (nur) für Teil­neh­mer ei­ner nie­der­län­di­schen Stif­tung als all­ge­mein­ver­bind­lich er­klärt wer­den kann.

  • Umgang mit drohender Verjährung unklar:

Nach ein­hel­li­ger An­sicht ver­jäh­ren die An­sprü­che der Wirecard-​Anleger ge­gen EY zum 31.12.2023. Die Stif­tung kann bis­lang nicht er­klä­ren, wes­halb sie an­nimmt, dass bin­nen der ver­blei­ben­den 18 Mo­nate durch eine (bis­lang noch nicht ein­ge­reichte Klage) beim LG Mün­chen ein Ver­gleich mit EY er­zwun­gen wer­den kann. Aus ei­ge­ner Er­fah­rung wis­sen wir, dass die Ver­fah­rens­dauer beim LG Mün­chen in Sa­chen Wirecard/​EY der­zeit 18 bis 28 Mo­nate be­trägt. So­dann schlie­ßen sich Be­ru­fungs­ver­fah­ren beim OLG Mün­chen an, die wie­derum rund 18 Mo­nate dau­ern dürf­ten. Bis­lang gibt es nicht ein ein­zi­ges rechts­kräf­ti­ges Ur­teil ge­gen EY. Dies hat zur Folge, dass all den­je­ni­gen An­le­gern zu 31.12.2023 die Ver­jäh­rung droht, die keine ver­jäh­rungs­hem­men­den Maß­nah­men, wie z.B. eine Kla­ge­er­he­bung, ein­ge­lei­tet ha­ben. Bis­lang ist nicht er­sicht­lich, dass die Ver­jäh­rung durch die Teil­nahme an der Stif­tung ge­hemmt würde. Wie kann die Ver­jäh­rung für die An­le­ger al­lein durch eine oder we­nige ein­zelne Kla­gen in Deutsch­land und der Teil­nahme vie­ler An­le­ger an ei­ner nie­der­län­di­schen Stif­tung ge­hemmt wer­den? Was ge­schieht mit An­sprü­chen sol­cher An­le­ger, die der Stif­tung bei­getre­ten sind, die aber nicht kla­ge­weise gel­tend ge­macht wur­den? Wie ver­hin­dert die Stif­tung den Ver­jäh­rungs­ein­tritt? Falls Ein­zel­kla­gen doch not­wen­dig wer­den soll­ten – wann er­fah­ren An­le­ger von die­ser Not­wen­dig­keit? Ha­ben An­le­ger dann über­haupt noch Zeit zur Prü­fung un­ter­schied­li­cher Optionen?

  • Verhältnis zu KapMuG unklar:

Die Stif­tung be­haup­tet, die beim LG Mün­chen ein­zu­rei­chen­den Kla­gen sei­nen we­gen der Stif­tungs­lö­sung auch im Hin­blick auf ein be­vor­ste­hen­des Ka­pi­tal­an­le­ger­mus­ter­ver­fah­ren sinn­vol­ler als an­dere Lö­sun­gen. Dazu muss man wis­sen, dass die be­fass­ten Kam­mern des LG Mün­chen der­zeit Wirecard/​EY-​Klagen aus­set­zen, da par­al­lel ein KapMuG-​Verfahren an­hän­gig ge­macht ist. Das KapMuG sperrt also bis zu sei­nem Ab­schluss (nach un­se­rer Ein­schät­zung in 7 bis 10 Jah­ren) die Wei­ter­ver­hand­lung der an­hän­gi­gen Ein­zel­kla­gen. Diese Wir­kung ist im De­tail bei Wirecard/​EY zwar um­strit­ten und Rechts­mit­tel sind an­hän­gig, aber die Sperr­wir­kung greift je­der­zeit. Für uns ist nicht nach­voll­zieh­bar, wes­halb die Stif­tung da­von aus­geht, dass die beim LG Mün­chen ge­plan­ten Kla­gen – an­ders als alle an­de­ren Kla­gen – nicht von der Sperr­wir­kung des KapMuG er­fasst sind.

  • Finanzierungsbedingungen unklar:

Die Stif­tung wirbt mit der Zu­sage ei­nes Pro­zess­fi­nan­zie­rers, der ge­gen 25 % Er­folgs­be­tei­li­gung alle Kos­ten der An­le­ger tra­gen will. Dazu stel­len sich fol­gende Fra­gen: Was wird von wem bis wann fi­nan­ziert? Wer ist der Pro­zess­fi­nan­zie­rer? Was ge­nau ist die Fi­nan­zie­rungs­leis­tung, also was wird fi­nan­ziert: nur die Teil­nahme an der Stif­tung? Was noch? Wer­den auch zur Ver­jäh­rung er­for­der­li­che Ein­zel­fall­kla­gen fi­nan­ziert? Falls nicht, was ha­ben An­le­ger für Lö­sungs­mög­lich­kei­ten, falls we­gen dro­hen­der Ver­jäh­rung Ein­zel­kla­gen not­wen­dig wer­den? Wel­che Si­cher­hei­ten stellt der Pro­zess­fi­nan­zie­rer, falls Kla­gen ver­lo­ren ge­hen und der Ge­gen­seite, als EY, Kos­ten­er­stat­tung für ggf. tau­sende an­le­ger­kla­gen ge­zahlt wer­den muss?

6. Fazit: Befürchtung eines lock-in

Vor dem Hin­ter­grund der oben ge­nann­ten Un­klar­hei­ten be­fürch­ten wir, dass es für An­le­ger, die an der Stif­tung teil­neh­men, zu ei­nem un­vor­her­seh­ba­ren lock-​in kom­men könnte. An­le­ger könn­ten Ge­fahr lau­fen, eine in­trans­pa­rente an­walt­li­che Ge­schäfts­be­sor­gung zu be­auf­tra­gen und an ei­ner Stif­tung ohne Ein­fluss teil­zu­neh­men. Die­ser an­walt­li­che Auf­trag und die Stif­tungs­teil­nahme könn­ten dann we­gen par­al­lel ein­ge­gan­ge­ner Fi­nan­zie­rungs­ver­träge oder we­gen un­mit­tel­bar dro­hen­der Ver­jäh­rung und er­heb­li­chem Zeit­druck recht­lich oder tat­säch­lich nicht mehr be­en­det wer­den. Kon­kret: Wir be­fürch­ten, dass an der Stif­tung teil­neh­mende An­le­ger Ende des Jah­res 2023 un­ter Zeit- und Ver­jäh­rungs­druck ge­ra­ten und zur Be­auf­tra­gung von Ein­zel­klage ge­zwun­gen sein könnten.

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