Abgasskandal – OLG Karlsruhe beschließt die Einholung eines Sachverständigengutachtens für 3-Liter-Motoren EA 897 sowie EA 896 und mit der Abgasnorm EURO 5
In der Vergangenheit hat das Kraftfahrt-Bundesamt (kurz KBA) diverse Fahrzeuge der deutschen Autohersteller Audi, Porsche und VW mit dem 3-Liter-Dieselmotor des Typs EA 897 und der Abgasnorm Euro 6 zurückgerufen… Grund dafür waren unzulässige Abschalteinrichtungen, die Abgaswerte im normalen Straßenbetrieb in unerlaubter Weise beeinflussten. Rechtsprechung gegen die Hersteller zugunsten der Autokäufer gibt es zu diesem Motortyp zahlreich. Das OLG Karlsruhe weitet den Abgasskandal nunmehr auf die älteren Modelle mit den 3-Liter-Dieselmotoren und der Schadstoffklasse Euro 5 aus und setzt auch hier ein positives Signal in Richtung der geschädigten Autokäufer.
Das OLG Karlsruhe hat mit zwei Hinweisbeschlüssen vom 22. August 2019 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu 3-Liter-Dieselmotoren des Typs EA 897 und EA 896 mit der Abgasnorm Euro 5 angekündigt. Mit dem Gutachten soll festgestellt werden, dass auch in diesen Motoren unzulässige Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung etabliert sind.
In den Verfahren klagen zwei Käufer eines gebrauchten Audi Q5 V6 3,0 I TDI, 176 kW bzw. eines Audi A4 3,0 l TDI, 180 kW – gegen die Volkswagen AG auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung in Höhe der bezahlten Kaufpreise gegen Rückgabe der im Jahr 2011 und 2013 erworbenen Fahrzeuge. Beide Kläger behaupten, auch in den Motoren der von ihnen erworbenen Fahrzeuge seien mindestens zwei unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut, die den Abgasreinigungsvorgang negativ beeinflussen. Dies führe zu einem Verstoß gegen die Zulassungsvorschriften sowie zu überhöhten Schadstoffemissionen im normalen Straßenverkehrsbetrieb.
Zu einem sei in der Steuerungssoftware des 3,0 l-Motors ähnlich wie im Motor EA189 eine „Rollenprüfstandserkennung“ umgesetzt. Hierdurch wird bei Erkennung eines Prüfstandstestbetriebes ein besonderer „Rollenprüfstandsmodus“ aktiviert. Hierdurch werden im Prüfungsmodus niedrigere Schadstoffwerte gemessen als im Normalbetrieb auf der Straße. Weiterhin behaupten die Kläger, dass in der Motorsteuerung des streitgegenständlichen Motors ein sogenanntes Thermofenster installiert sei. Dies stelle ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Das Thermofenster beeinflusst den Motorbetrieb, sodass in bestimmten Temperaturbereichen die Abgasreinigung erheblich reduziert wird, was zu einem erhöhten Schadstoffausstoß führt.
Ein verpflichtender amtlicher Rückruf von mit den Motoren EA 897 oder EA 896, EU 5-Norm, ausgestatteten Fahrzeugen durch das KBA liegt derzeit noch nicht vor. Der Hersteller bietet dennoch auch für diese Fahrzeuge ein Softwareupdate an.
Das Landgericht Heidelberg sowie das Landgericht Karlsruhe haben die Klagen in der ersten Instanz gegen die Volkswagen AG jeweils abgewiesen. Begründet wurde dies unter anderem mit dem unzureichenden Vortrag zum Vorhandensein einer Abschalteinrichtung und dem ungenügenden Nachweis, dass die Volkswagen AG Herstellerin des Motors ist und bei der behaupteten Manipulation beteiligt war.
Die Berufungsinstanz teilt diese Ansicht nicht. Das OLG Karlsruhe geht vielmehr davon aus, dass die Haftung der Volkswagen AG auch dann in Betracht komme, wenn sie nicht Herstellerin des Fahrzeugs bzw. Motors sei. Denn die Tragweite der Entscheidung über den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die in einer großen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns eingebaut sind, spreche nach Ansicht des OLG Karlsruhe, für eine Entscheidung durch den VW-Konzernvorstand.
Das OLG Karlsruhe entscheidet nun in beiden Fällen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das Gutachten soll die Frage beantworten, ob auch der streitgegenständliche Motor eine Software enthalte, die den Rollenprüfstand erkennt und in einen darauf ausgerichteten Betriebsmodus – der jedoch im üblichen Straßenverkehr nicht aktiv ist – umschaltet, um auf diese Weise die gesetzlich festgelegten Grenzwerte einzuhalten.
Außerdem geht das OLG Karlsruhe davon aus, dass in den vorliegenden Fällen eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines sogenannten Thermofensters vorliegt. Angesichts der in Deutschland herrschenden durchschnittlichen Außentemperaturen sorge das Thermofenster dafür, dass die Abgasreinigung über einen langen Zeitraum nur eingeschränkt arbeite bzw. abgeschaltet werde.
Weiterhin geht das OLG Karlsruhe davon aus, dass die Volkswagen AG darlegen und beweisen muss, ob das Thermofenster keine unzulässige Abschalteinrichtung, sondern um eine ausnahmsweise zulässige Motorschutzeinrichtung darstellt. Sollte dieser Nachweis der Volkswagen AG nicht gelingen, haftet die Volkswagen AG.