Widerspruchsrecht von Versicherungsnehmern: Holen Sie sich die Gewinne zurück, die die Versicherungen mit Ihrem Geld erzielt haben
Widerspruchsrecht: Der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht stärken die Rechte der Versicherungsnehmer von Lebens- und Rentenversicherungen. Erklären Sie jetzt Widerspruch. Das gilt auch, wenn Ihre Versicherung schon gekündigt wurde.
Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Rentenversicherung sollten die klägliche Entwicklung ihrer Policen nicht einfach so hinnehmen. Die Karlsruher Richter haben nämlich ihre Rechte in letzter Zeit erheblich gestärkt.
Der Bundesgerichtshof hat bereits mit dem Urteil vom 7. Mai 2014 unter Bezugnahme auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19. Dezember 2013 entschieden, dass Versicherungsnehmern einer Lebens-, Renten- oder Zusatzversicherung zur Lebensversicherung, die zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 geschlossen wurde, auch heute noch ein Widerspruchsrecht zusteht, sofern ihnen die Versicherungsbedingungen oder Verbraucher-informationen nicht vor Antragsstellung übergeben wurden (das sogenannte Policenmodell).
Aber auch für den Fall, dass der Vertrag nach dem sogenannten Antragsmodell zustande gekommen ist, der Versicherungsnehmer also alle Unterlagen vor Antragsstellung erhalten hat, kann ein Widerrufsrecht auch heute noch bestehen, sofern der Versicherungs-nehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht aufgeklärt wurde (wenn z. B. die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist).
Erklärt der Versicherungsnehmer den Widerspruch bzw. der Widerruf seiner Police, bekommt er nicht nur alle seine gezahlten Prämien erstattet, sondern auch eine Verzinsung hierauf. Der Kunde muss sich lediglich den Risikoanteil von seinem Erstattungsanspruch in Abzug bringen lassen (z. B. den Versicherungsschutz, den er bis zum Widerspruch erhalten hatte). Der Widerspruch solcher Verträge lohnt sich in den meisten Fällen.
Mit seinen beiden Urteilen vom 29. Juli 2015 hat der Bundesgerichtshof die Rechte der Verbraucher schließlich weiter gestärkt und entschieden, dass der Versicherungsnehmer die Abschluss- und Verwaltungskosten sowie einen Ratenzahlungs-zuschlag nicht erstatten muss. Der Versicherer, der diese beiden Urteile nicht akzeptieren wollte, hatte vor dem Bundesverfassungs-gericht eine Verfassungsbeschwerde eingelegt und war dabei kläglich gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinen beiden Beschlüssen vom 23. Mai 2016 die Verfassungsbeschwerden zurück-gewiesen und dabei entschieden, dass das „ewige“ Widerspruchs-recht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Das Besondere am Widerspruchsrecht ist, dass es grundsätzlich keine zeitliche Beschränkung für seine Ausübung gibt. Bei dem Widerspruch handelt es sich um ein sogenanntes Gestaltungsrecht, welches nicht der Verjährung unterliegt. Da das Widerspruchsrecht nicht verjährt, kann man dieses also theoretisch auch noch nach 20 Jahren für die betroffenen Verträge ausüben.
Welche Verträge sind betroffen?
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Von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs profitieren Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen wurden. Es können sowohl fondsgebundene Versicherungen als auch solche ohne Fondsanlage sein.
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Es spielt überhaupt keine Rolle, ob der Vertrag noch läuft oder (z. B. durch Kündigung) beendet ist, oder ob die Versicherungssumme bereits ausgezahlt wurde. Sollten Versicherungsnehmer also den Vertrag bereits vorzeitig gekündigt haben, können sie dennoch von der Rechts-prechung zum „ewigen“ Widerspruchsrecht profitieren und noch nachträglich den Widerspruch erklären. Auch sie bekommen die gesamten Prämien erstattet und zusätzlich eine Verzinsung, selbstverständlich aber gemindert um den infolge der Kündigung erhaltenen Rückkaufswert. Selbst bei abgelaufenen Verträgen, die also bis zum Vertragsende bedient wurden, ist der Widerspruch möglich.
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Von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs profitieren in erster Linie Versicherungsnehmer, die den Vertrag nach dem Policenmodell abgeschlossen haben. Ihnen steht in jedem Falle ein Widerspruchsrecht zu, da sie vor Vertragsschluss nicht über ihr Widerspruchsrecht belehrt wurden. Zwischen 1994 und 2007 wurden die Verträge meist nach dem Policenmodell geschlossen.
Verträge, die nach dem Antragsmodell zustande gekommen sind (also Verbraucherinformationen vor Antragsstellung übergeben wurde), können widerrufen werden, wenn die Rücktrittsbelehrung – so der Bundesgerichtshof im Urteil vom 17. Dezember 2014 – nicht umfassend, unmissverständlich und eindeutig ist. Die Verbraucher haben auch hier ein „ewiges“ Widerrufsrecht. Unserer Erfahrung nach ist eine Vielzahl der Belehrungen fehlerhaft.
Was ist zu tun?
Sofern Sie eine Lebens- oder Rentenversicherung haben, die nach dem Policenmodell abgeschlossen wurde, sollten Sie sich Gedanken machen, ob Sie den Widerspruch erklären wollen. Meist springt dabei für Sie mehr heraus, als den Vertrag noch viele Jahre weiterlaufen zu lassen. Sofern Sie eine Versicherung haben, die nach dem Antragsmodell abgeschlossen wurde, Sie also vor Unterzeichnung des Antrages eine Rücktrittsbelehrung erhalten haben, sollten Sie die Belehrung auf Fehler überprüfen lassen. Viele Belehrungen werden nämlich den gesetzgeberischen Vorgaben nicht gerecht.
Sofern Sie Ihre Versicherung bereits vorzeitig gekündigt oder sie haben auslaufen lassen und mit dem ausgezahlten Betrag nicht zufrieden sind, sollten Sie in jedem Falle aktiv werden.
Sie können uns Ihre Versicherungsunterlagen unverbindlich zu-senden, wenn Sie Ihre Lebens- oder Rentenversicherung zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen haben. Bitte senden Sie uns alle Unterlagen/Schriftstücke zu, die Sie im Rahmen des Abschlusses der Versicherung erhalten haben. Wir teilen Ihnen dann mit, ob Sie den Widerspruch erklären können und in welcher Höhe ggf. ein Rückzahlungsanspruch gegen die Versicherung besteht.